11. Tag
Vom Valle Gran Rey nach Playa de Santiago?
(locko)
21. März 2007

Heute ist nicht viel passiert, ich war baden und hab meinen müden Gelenken einen Tag Erholung gegönnt. Das Wetter war das erste Mal nach einigen Tagen halbwegs stabil, die Sonne schien häufiger, bewölkt war es zwar teilweise immernoch und insbesondere in den Bergen schien es weiterhin zu regnen. Der Blick talaufwärts ließ das vermuten, unstrukturierte dunkle Wolken hingen da herum. Am Meer war es besser: kein Regen. Allerdings war es auch nicht sehr warm, etwa 22 Grad und der Wind war nach wie vor böhig. Immer wieder fegte er über den Strand und trieben dunklen Sand vor sich her. Ich war eh eingesaut, so dass mich das nicht weiter störte.

Vor dem Baden gab es ersteinmal mein typisches Kanarenfrühstück bestehend aus Weißbrot, ordentlich Butter (meine ganzen Hosen rutschten nämlich schon wieder) und oben drauf frischen Knoblauch in Scheiben geschnitten. Ich sage mal: "Rasierwasser brauche ich nicht!". Anschließend lief ich von La Calera nach Vueltas und schaute mich ein wenig in den Läden dort um. Eingekauft habe ich nichts.

Gegen elf Uhr war ich am Meer in La Playa, es war Ebbe, so dass ein relativ breiter schwarzer Sandstrand zum Baden und Sonnen lockte. Oft war in diesem Urlaub wegen des Wetters keine Gelegenheit dazu gewesen. Ich döste vor mich hin und schlief schließlich ein. Nicht weit weg von mir lag ein etwa 50 jähriger Herr mit unbekannter Nationalität. Er sah südländisch aus, trug Goldkettchen, einen Bürstenschnitt und einen Zwei- bis Dreitagebart. Irgendwann wehte der Wind mir sein aufdringlich nach After-Shave oder was weiß ich stinkendes Hemd ins Gesicht. Schlagartig wachte ich erschrocken auf und suchte Orientierung. Pfui Teufel! Nett wie ich war, brachte ich es ihm zurück und bekam dafür ein breit grinsendes "grazie". Aha, der Hombre war also Italiener. Wir kamen ins Gespräch. Die ganze Zeit sagte mir mein Bauch: "Pass auf, der ist schwul und will dich fxxx...". Für ihn "leider" bin ich aber total unschwul. Ein anderer Gedanke war, der ist selbst gar nicht schwul, sondern will mich überreden, mich mit seinen schwulen Kumpels einzulassen - auch danach stand mir aus den genannten Gründen nicht der Sinn. Gegen Blondinen Mitte zwanzig hätte ich ja prinzipiell nichts einzuwenden, gegen fünfzig jährige Herren mit Bauch und Goldkettchen aber schon. Also erzählte ich ihm in leidlich sauberen spanisch und ordentlichem Schulenglisch (was er beides nur schwer verstand) einem vom Pferd und erfuhr dabei allerlei aus seinem Freundeskreis und von ihm. Irgendwann lebte er wohl mal in Berlin und Hamburg, konnte sich aber an kein deutsches Wort erinnern. Sein "Amigo" hat es wohl zu einigem Reichtum, zumindest jedoch zu einigem Kinderreichtum in Deutschland gebracht. Alles im Rahmen der Besitzschaft eines italienischen Restaurants (wie soll es auch anders sein). An seinem Kumpel fiel ihm allerdings auch auf, dass er gar kein akzentfreies italienisch sprach und somit auch kein gebürtiger Italiener sein konnte. Jawohl, solche weltbewegend interessanten Dinge erfährt man um die Mittagszeit am Strand des Valle Gran Rey.

Irgendwann war mir das ganze italienische Kauderwelsch (was ich trotz kleinem Latinum nur ansatzweise verstand) zuviel, so dass ich mich gegen ein Uhr in die Siesta verabschiedete. Neben der etwas nervigen Unterhaltung kam nämlich auch die Flut und somit das Meer meinem Handtuch immer näher. Ich ging in La Playa noch kurz zu den netten Damen von Gerardos, surfte ein wenig im Internet, kaufte mir ein Siesta-Bier und (novum) EINE ZEITUNG!!! Diesmal fiel meine Wahl auf einen Tagesspiegel vom Vortag. Auf Gomera bekommt man außer der Bild-Zeitung keine aktuellen deutschen Tageszeitungen. Ich freute mich auf eine informative und bierselige Siesta auf der Terrasse meiner Cabana. Die ist sehr gemütlich und ein praktischer Sonnenschirm spendete Schatten (wer hätte gedacht, dass man dieses Utensil nocheinmal in diesem Urlaub brauchen könnte...). Leider stand im Tagesspiegel nur Dreck, wie immer irgendetwas über die Amis und die Merkel. Mein kaltes Dorada tröstete mich über diesen Umstand hinweg.

Anschließend gewann der Schlaf für zwei Stündchen die Oberhand. Gegen halb sechs ging ich zurück an den Strand, um ein wenig zu trinken und mir das im März immer sehr amüsante Treiben zum Sonnenuntergang anzusehen. Als langjähriger Gomera-Reisender entdeckte ich einige Bekannte, die immer dort waren, wenn ich auch da war (wahrscheinlich, weil sie immer auf der Insel sind). Zum Beispiel einen Kameraden mit abgefahrener und leicht angegrauhter "Dave Gahan" Frisur, der immer etwas zyanotisch drein blickt. Wir würdigten einander eines obligatorisch nickenden Blicks und gingen wie immer unserer Wege. Der Sonnenuntergang fand auch diesmal hinter Wolken statt.

Auf dem Weg zurück in mein Appartment musste ich sehr dringend auf die Toilette. Als die Straße zwischen La Playa und La Calera noch keine zweispurige Piste mit Fußweg war, hatte man relativ einfach die Möglichkeit, mal schnell in den Bananenplantagen zu verschwinden und dort seine Notdurft zu verrichten. Jetzt ist das nicht mehr so einfach: a) lockt die neu entstandene Flaniermeile zahlreiche Besucher an (Flaneure), b) gibt es, seitdem die EU gesagt hat: Subventionen für die leckere Cavendish-Banane benachteiligten die redlich arbeitenden Bananenbauern in Costa Rica, immer weniger Bananenplantagen auf La Gomera. Dafür aber viele offen gelassene Parzellen mit schwachem Bewuchs. In La Dama ist das letzte verbliebene zusammenhängende Bananenanbaugebiet auf La Gomera, dem man abnimmt, dass es dem Broterwerb dient. Ich musste also die Zähne zusammenbeißen und konnte erst in meinem Appartment...

Am Abend besprach ich mit meinem Mitbewohner Matthias die morgen anstehende Wanderung nach Las Hayas. Er war mit einer Freundin eigentlich zum Zelten nach La Gomera gekommen. Nur hat ihnen leider niemand vorher gesagt, dass der einzig legale Zeltplatz in El Cedro, oberhalb von Hermigua, mitten in der Lobeerwaldzone ist. Da haben die beiden wohl auch übernachtet - genau an dem Tag, als ich in Hermigua war und (zumindest im Erleben der beiden) der heftigste Regen auf Gomera niederging. Man war wohl die ganze Nacht damit beschäftigt das Zelt zu halten. Die Freundin, eine beständig rauchende Mitzwanzigerin, wies mich darauf hin, dass weite Wege für Matthias kein Problem seien. Sie wollte ohnehin ihre Ruhe haben und er sei mit gerade mal 30 Jahren ein alter Sack (ich war zu diesem Zeitpunkt "schon" 33), der mal wieder in die "Gänge" gebracht werden müsste. Ein Gewaltmarsch über 1.000 Höhenmeter sei dann genau das Richtige für ihn. Vor diesem Hintergrund plante ich sehr vorsichtig folgende Route: La Calera, La Viscaina, Mastenweg, Las Hayas, El Cercado, Matanzaalm, Kirchenpfad und wieder zurück. Das wird er schon schaffen, der "ältere Herr".

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